Der unsichtbare Dritte

Der unsichtbare Dritte

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«Der unsichtbare Dritte» ist nicht nur ein berühmter Filmtitel von Alfred Hitchcock, sondern auch immer wieder ein/e «Akteur/in» wenn es um Konflikte geht.

Bei einem Konflikt ist es oft so, dass eine Person, die nicht direkt daran beteiligt ist, die Konfliktdynamik beeinflusst. Eine solche dritte Person kann einen Konflikt sogar regelrecht befeuern und vorantreiben! Zum Beispiel können zwei Personen in einen Streit geraten, welchen sie aber aufgrund ihrer bestehenden Beziehung, ihrer Erfahrung im Umgang mit Konflikten und ihrer bisherigen Kommunikationskultur untereinander gut lösen, ohne dass ihre Beziehung nachhaltig gestört wird. Konflikte sind nämlich nicht nur normal, sondern sogar wichtig, wenn wir sie richtig austragen.

Kommt eine weitere Partei hinzu, die sich meist aufgrund der eigenen Beziehung oder Rolle auf eine der beiden Seiten stellt, entsteht direkt ein Ungleichgewicht. Ein solches ist grundsätzlich nicht ideal, wenn es darum geht, Streit zu lösen. Als Ausgangslage ihrer Handlungsweise bringt diese neue Partei eigene Ansichten, Erfahrungen und ihre Beziehung zur Konfliktpartei mit. Mit dieser Grundhaltung beteiligt sich diese Person dann oft aktiv am Konflikt, sie gibt Tipps und entscheidet was zu tun sei, um eine Verbesserung der Situation zu erreichen. Sie berät die ihm oder ihr vertraute Person, wie sie auf Äusserungen oder Handlungen der anderen Konfliktpartei reagieren soll und geht bei dieser Beratung in der Regel von sich und ihrem eigenen Befinden aus.

Es ist sicherlich üblich und meist auch sehr wertvoll, in einer Konfliktsituation mit anderen, aussenstehenden Personen zu sprechen und sie zu fragen, wie sie die Situation einschätzen. Es kann bereits hilfreich sein, wenn jemand sich anhört, wie es zu diesem Konflikt gekommen ist. Dadurch kann Verständnis für die Person und deren Situation gezeigt werden, die Zuhörenden können Mut machen und Unterstützung geben, sie können Ideen aufzeigen, wie man wieder aus dieser Situation herauskommen könnte.

Dennoch ist es ein schmaler Grat, ob eine Unterstützung nützlich ist oder sie alles nur noch schlimmer macht. Dies kann oft ohne Absicht geschehen und eine solche Verschlimmerung wird auch spät erkannt – oder gar nicht. Auch diese Unsichtbarkeit lässt diese Drittperson noch gefährlicher erscheinen. Macht sie zum Beispiel eine Kampfansage, kann diese von der empfangenden Person schnell der anderen Konfliktpartei zugewiesen werden. Auch wenn diese von sich aus niemals eine solche Aussage gemacht hätte. Die Konfliktpartei gibt ihre Selbstverantwortung an «den unsichtbare Dritte» ab, der nun für sie einsteht und vielleicht sogar noch für sie denkt und entscheidet. So kann es passieren, dass es nicht mehr möglich ist, eine Schlichtung des Streits zu erwirken.

So etwas könnt ihr euch nicht vorstellen? Eine solche Dynamik ist häufiger als ihr meint. Denkt kurz darüber nach, ihr kennt sicherlich auch solche Beispiele aus eurem Privat- oder Berufsleben.

Es liegt nun auf der Hand zu fragen: Wieso machen das diese Dritten eigentlich? Wollen sie, dass ihre vertraute Person mit einer anderen Person streitet oder nicht wieder zusammenkommt? Oder will die dritte Partei doch eigentlich helfen, den Streit zu schlichten und merkt dabei nicht, wie sie das Gegenteil bewirkt? Vielleicht liegt die Antwort auf diese Frage irgendwo dazwischen.

Die Grundintention ist doch meist der gute Gedanke, dass jemand unterstützt wird, der Hilfe benötigt. Doch dann wird eine Geschichte erzählt, es wird geschildert wie es zu diesem Streit gekommen ist und ganz schnell, bildet man sich seine eigene Meinung dazu. Wer ist im Recht und wer hat welche Motive? Was habe ich für eigene Erfahrungen mit diesem Thema oder mit den Beteiligten dieser Geschichte gemacht und welche Meinung hatte ich schon vorher von ihnen? Diese Ausgangslage lässt ein für uns eigenes Bild von der gesamten Situation entstehen. Aufgrund dieses Bildes werden wir uns dann auch einbringen, meist aus dem Impuls heraus, jemanden unterstützen zu wollen.

Natürlich ist es wichtig und auch richtig, für Freunde und Bekannte da zu sein, sobald sie Hilfe benötigen. Seid dabei jedoch achtsam genug und überprüft immer wieder, ob ihr wirklich eine Hilfe seid. Schaut genau hin, aus welchem Blickwinkel heraus ihr die Angelegenheit betrachtet und ob ihr noch objektiv beurteilt. Achtet darauf, welche Tipps ihr gebt, denn sie werden vielleicht auch umgesetzt. Schaut darauf, dass ihr euch in – idealerweise – in alle Konfliktparteien hineinversetzt und nicht eure eigenen Emotionen in den Vordergrund stellt. So könnt ihr schliesslich jemanden dazu bringen, eine zweite Sichtweise zu erkennen, aber ihr zwingt dieser Person keine Lösung auf.

Bei jedem Konflikt sollte angestrebt werden, so bald als möglich eine Schlichtung herbeizuführen, damit so wenig Schaden wie möglich innerhalb der Beziehung der Beteiligten entsteht. Lösungsansätze anstatt Schuldige sollten gesucht werden. Mit allem was gesagt, getan, geschrieben und gedacht wird, solltet ihr zu diesem Resultat gelangen. Wenn ihr dieses Ziel vor Augen habt – egal wie beleidigt oder wie wütend jemand am Anfang eines Konflikts ist – dann habt ihr gute Chancen, als Drittperson eine ideale Hilfe zu sein. Egal, ob ihr für alle anderen sichtbar oder unsichtbar seid.

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