Ich bin wütend – nein traurig

Ich bin wütend – nein traurig

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Wie oft ist es Ihnen schon passiert, dass eine schon länger geplante Verabredung plötzlich vom Gegenüber abgesagt wurde? Was fühlen Sie in einer solchen Situation? Einleitend ist zu erwähnen, dass eine derartige Begebenheit früher nicht vorgekommen wäre. Mit dem Griff zum Smartphone ist die Absage eines Termins heute viel schneller und sehr spontan möglich. Ein Fakt, über den sich der «Versetzte» lange aufregen kann – ohne sich über die eigenen Gefühle bewusst werden zu müssen.

Ist der erste grosse Ärger über das abgesagte Treffen allmählich abgeflaut, wird man sich meist einer anderen Tatsache bewusst: der Person, welche einen (einmal mehr) versetzt hat, war ein anderes Vorhaben wichtiger, als das geplante Rendez-vous. Wie soll man auf diese Gedanken reagieren? Um sich über den Frust hinweg zu trösten, wird das Gegenüber erst einmal mit Attributen wie Oberflächlichkeit, Egoismus, Bequemlichkeit oder Frechheit schlechtgemacht. «Wer mir so etwas antut, kann ja nur ein ignoranter Mensch sein!»

Noch einmal kann sich der «Abgewiesene» so richtig heftig über die eingetretene Situation aufregen. Und meist will genau diese Wut selbst nach längerer Zeit des Fluchens und Beschwerens nicht vergehen. Grund dafür ist, dass sich jenes Gefühl, welches zuerst als Wut taxiert wurde, in Trauer umgewandelt hat: Wir sind traurig (nicht wütend!) darüber, dass die Person die angesetzte Verabredung platzen liess. Wir sind traurig, weil wir uns auf das Treffen gefreut haben und weil das Gegenüber andere Projekte nun scheinbar höher gewichtet. Wir sind traurig, weil wir plötzlich an der Beziehung zum anderen zweifeln und uns fragen, ob der befreundeten Person ein Zusammenkommen gar nicht so wichtig ist?

Ist man sich seines Gefühls bewusst, kann man darauf reagieren. Es ist nun nötig, die offenen Fragen für sich selbst zu klären. Weil wir unsere Emotion richtig eingeordnet haben und uns damit selbst besser verstehen, verstehen wir nun auch, was wir brauchen, damit es uns besser geht. Allmählich wird auch klar, dass das Gegenüber freilich plausible Gründe hatte, um die Verabredung abzusagen. In den meisten Fällen können wir diese Argumente auch nachvollziehen. Viel wichtiger ist jedoch verstehen zu können, dass die Motive der Absage nichts mit einem selbst oder mit der Beziehung zueinander zu tun hatten!

Vieles wird einfacher, wenn man reflektiert und sich jener Gefühle bewusst wird, welche unmittelbar durchlebt werden.

Wie hätte sich die Situation entwickelt, wenn man – gesteuert von der anfänglichen Wut – auf die Absage reagiert hätte? Es liegt stets in unserer Hand, ob ein Streit entfacht oder ein solcher im Keim erstickt wird. Das eigene Bewusstsein und Bewusstwerden kann helfen, die jeweils richtige Entscheidung zu treffen.

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